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Gedichte zur Adventszeit

Nicht nur die Kleinen freuen sich, wenn sie jeden Morgen in der Adventszeit ein Türchen an ihrem Adventskalender öffnen können. Auch die Großen sollen sich freuen, wenn sie in diesem online-Adventskalender täglich ein neues Gedicht finden, das einen Augenblick der Besinnung auf dem Weg bis Weihnachten hervorruft.
Kalligraphie
Datum:
29. Nov. 2024
Von:
Redaktion

Fenster zur Literatur

Christina Pehe und Hans-Rolf Conrad haben die teilweise bekannten, teilweise wahrscheinlich aber auch völlig ungeläufigen Gedichte zusammengestellt, und Frieder Neher hat sie liebevoll als modernen Adventskalender auf dieser Seite online gestellt.

Adventskalender

tag für tag
schließt sich leise
ein türchen deines lebens

und deine möglichkeiten
fallen unwiderruflich
ins schloss

die verriegelte tür
in der mitte aber
du selbst

öffnest du dich
vielleicht schaut dich dann
überraschend ein kind an

Andreas Knapp

Noch ist Herbst nicht ganz entflohn

Noch ist Herbst nicht ganz entflohn,
Aber als Knecht Ruprecht schon
Kommt der Winter hergeschritten,
Und alsbald aus Schnees Mitten
Klingt des Schlittenglöckleins Ton. 

Und was jüngst noch, fern und nah,
Bunt auf uns herniedersah,
Weiß sind Türme, Dächer, Zweige,
Und das Jahr geht auf die Neige,
Und das schönste Fest ist da. 

Tag du der Geburt des Herrn.
Heute bist du uns noch fern.
Aber Tannen, Engel, Fahnen
Lassen uns den Tag schon ahnen.
Und wir sehen schon den Stern. 

Theodor Fontane

Fürbitte zu Weihnachten

Wider die Abweisung
Wider die Nachtangst

Der leisen Stimme
aller Ortssuchenden wegen
Der Zerbrechlichkeit
eines Kinderschlafes wegen
Der Überhörbarkeit
eines Engelliedes wegen:

Um Wachsamkeit
Um Hellhörigkeit
Um Augenlicht
Um Friedensgruß

Joop Roeland

Am 4. Dezember

Geh in den Garten am Barbaratag.
Gehe zum kahlen Kirschbaum und sag:

Kurz ist der Tag, grau ist die Zeit.
Der Winter beginnt, der Frühling ist weit.

Doch in drei Wochen, da wird es geschehn:
Wir feiern ein Fest, wie der Frühling so schön.

Baum, ein Zweig gib du mir von dir.
Ist er auch kahl, ich nehm ihn mit mir:

Und er wird blühen in seliger Pracht
mitten im Winter in der heiligen Nacht.

Josef Guggenmoos

O Tannenbaum...

O Tannenbaum, o Tannenbaum,
wie treu sind deine Blätter!
Du grünst nicht nur zur Sommerzeit,
nein, auch im Winter, wenn es schneit.
O Tannenbaum, o Tannenbaum,
wie treu sind deine Blätter!

O Tannenbaum, o Tannenbaum,
du kannst mir sehr gefallen.
Wie oft hat nicht zur Weihnachtszeit
ein Baum von Dir mich hoch erfreut!
O Tannenbaum, o Tannenbaum,
du kannst mir sehr gefallen!

O Tannenbaum, o Tannenbaum, 
dein Kleid will mich was lehren: 
Die Hoffnung und Beständigkeit
gibt Trost und Kraft zu jeder Zeit. 
O Tannenbaum, o Tannenbaum, 
dein Kleid will mich was lehren.

Ernst Anschütz

Knecht Ruprecht

Von drauß’ vom Walde komm ich her,
ich muss euch sagen, es weihnachtet sehr!
Allüberall auf den Tannenspitzen
sah ich goldene Lichtlein sitzen;
und droben aus dem Himmelstor
sah mit großen Augen das Christkind hervor;
und wie ich so strolcht Durch den finstern Tann,
da riefs mich mit heller Stimme an:
»Knecht Ruprecht«, rief es, »alter Gesell,
hebe die Beine und spute Dich schnell!
Die Kerzen fangen zu brennen an,
das Himmelstor ist aufgetan,
Alt und Junge sollen nun
von der Jagd des Lebens einmal ruhn;
und morgen flieg ich hinab zur Erden,
denn es soll wieder Weihnachten werden!«
Ich sprach: »O lieber Herre Christ,
meine Reise fast zu Ende ist;
ich soll nur noch in diese Stadt,
wo’s eitel gute Kinder hat.«
»Hast denn das Säcklein auch bei Dir?«
Ich sprach: »Das Säcklein, das ist hier:
Denn Äpfel, Nuss und Mandelkern
essen fromme Kinder gern.«
»Hast denn die Rute auch bei Dir?«
Ich sprach: »Die Rute, die ist hier;
doch für die Kinder nur, die schlechten,
die trifft sie auf den Teil, den rechten.«
Christkindlein sprach: »So ist es recht;
so geh mit Gott, mein treuer Knecht!«
Von drauß’ vom Walde komm ich her;
ich muss euch sagen, es weihnachtet sehr!
Nun sprecht, wie ich’s hierinnen find!
Sinds gute Kind, sinds böse Kind?

Theodor Storm

Gerade weil so viele
den Frieden nicht schaffen, 
kommt Gott, unser Friede.

   

 

Gerade weil so viele 
getreten werden, 
tritt Gott auf.

 
Gerade weil so viele
unmenschlich leben, 
wird Gott Mensch.
 

Gerade weil so viele
erbärmlich leben, 
schenkt Gott Erbarmen.

 

Gerade weil so viele 
Gott nicht kennen, 
spricht Gott uns an:

 
   

Jesus Christus – 
Gott im Menschen – 
Friede und Erbarmen.

Unbekannt

Weihnachten

Weihnachten ist heilig, wenn du in Stille kommst zur Krippe, 
zu erblicken deine Heiligkeit, 
für dich sichtbar gemacht. 
Deine Gaben sind deine leeren Hände nur, 
bereinigt von Habsucht. 
Nichts weiter legst du nieder vor dem Neugeborenen 
außer deine Zweifel und Ängste, 
deine blassen Illusionen 
und deinen kranken Stolz, 
dein verborgenes Gift 
und deine schwache Liebe, 
deine dürftigen Schätze 
und Deine Untreue, 
zu all den Gaben, die Gott dir gab. 
An diesem Altar hier lege alles beiseite, 
die Tür zum Himmel weit zu öffnen, 
und höre die Engel singen vom Frieden auf Erden, 
denn Weihnachten ist die Zeit deiner Wiedergeburt.

Helen Schucman

Wann fängt Weihnachten an?

Wenn der Schwache dem Starken die Schwäche vergibt, 
wenn der Starke die Kräfte des Schwachen liebt,
wenn der Habewas mit dem Habenichts teilt, 
wenn der Laute mal bei dem Stummen verweilt, 
und begreift, was der Stumme ihm sagen will, 
wenn der Leise laut wird und der Laute still, 
wenn das Bedeutungsvolle bedeutungslos, 
das scheinbar Unwichtige wichtig und groß, 
wenn mitten im Dunkel ein winziges Licht
Geborgenheit, helles Leben verspricht, 
und du zögerst nicht, sondern du gehst, 
so wie du bist, darauf zu, 
dann, ja dann fängt Weihnachten an.

Rolf Kreuzer

Dein Wort
fällt herein in das Menschenleben,
geht im Labyrinth der Zeit
und isst
und trinkt
und ist laut und leise
und stirbt und lebt
- und heißt
Jesus. 

Gottfried Bachl

Schenken

Schenke groß oder klein,
Aber immer gediegen.
Wenn die Bedachten
Die Gaben wiegen,
Sei dein Gewissen rein.

Schenke herzlich und frei.
Schenke dabei
Was in dir wohnt
An Meinung, Geschmack und Humor,
So dass die eigene Freude zuvor
Dich reichlich belohnt.

Schenke mit Geist ohne List.
Sei eingedenk,
Dass dein Geschenk
Du selber bist.

Joachim Ringelnatz

Weihnachtslegende

Wir sollten es versuchen,
trotz Gans und Pfefferkuchen,
dass Frieden wird auf Erden.
Mal muss das doch was werden.

Mit Hoffnung Mut und Zuversicht,
sonst bringt das ganze Feiern nichts.

Setzt euch um Tann und Fichte,
macht nicht das Licht zunichte,
hört auf euch zu verrenken –
wir sollten uns beschenken

mit Hoffnung, Mut und Zuversicht,
sonst bringt der ganze Rummel nichts.

Heinz Kahlau

Die Weihnachtsmaus

Die Weihnachtsmaus ist sonderbar
(sogar für die Gelehrten),
Denn einmal nur im ganzen Jahr
entdeckt man ihre Fährten.

Mit Fallen und mit Rattengift
kann man die Maus nicht fangen.
Sie ist, was diesen Punkt betrifft,
noch nie ins Garn gegangen.

Das ganze Jahr macht diese Maus
den Menschen keine Plage.
Doch plötzlich aus dem Loch heraus
kriecht sie am Weihnachtstage.

Zum Beispiel war vom Festgebäck,
das Mutter gut verborgen,
mit einem mal das Beste weg
am ersten Weihnachtsmorgen.

Da sagte jeder rundheraus:
Ich hab‘ es nicht genommen!
Es war bestimmt die Weihnachtsmaus,
die über Nacht gekommen.

Ein andres Mal verschwand sogar
das Marzipan von Peter;
Was seltsam und erstaunlich war.
Denn niemand fand es später.

Der Christian rief rundheraus:
ich hab es nicht genommen!
Es war bestimmt die Weihnachtsmaus,
die über Nacht gekommen!

Ein drittes Mal verschwand vom Baum,
an dem die Kugeln hingen,
ein Weihnachtsmann aus Eierschaum
nebst andren leck’ren Dingen.

Die Nelly sagte rundheraus:
Ich habe nichts genommen!
Es war bestimmt die Weihnachtsmaus,
die über Nacht gekommen!

Und Ernst und Hans und der Papa,
die riefen: welche Plage!
Die böse Maus ist wieder da
und just am Feiertage!

Nur Mutter sprach kein Klagewort.
Sie sagte unumwunden:
Sind erst die Süßigkeiten fort,
ist auch die Maus verschwunden!

Und wirklich wahr: Die Maus blieb weg,
sobald der Baum geleert war,
sobald das letzte Festgebäck
gegessen und verzehrt war.

Sagt jemand nun, bei ihm zu Haus,
– bei Fränzchen oder Lieschen –
da gäb es keine Weihnachtsmaus,
dann zweifle ich ein bisschen!

Doch sag ich nichts, was jemand kränkt!
Das könnte euch so passen!
Was man von Weihnachtsmäusen denkt,
bleibt jedem überlassen.

James Krüss

Wer wir sind . . . 

Manchmal sind wir wie die Hirten, 
die in der Stille der Nacht auf die Geräusche hören, 
die sie umgeben, 
um aufzubrechen und der neuen Stimme zu folgen.

Manchmal sind wir wie die Weisen,
die den Himmel beobachten und einen Stern suchen,
der ein ganzes Leben verändern kann.

Manchmal sind wir wie die Wirte in Bethlehem,
belegt bis in den letzten Winkel,
und haben für das Entscheidende keinen Platz mehr.

Manchmal sind wir wie die Schriftgelehrten,
die genau Bescheid wissen,
aber unbeweglich bleiben,
wo es nötig wäre zu gehen.

Manchmal sind wir wie Herodes,
der aus Angst um den eigenen Thron
die Schwächsten um das Leben bringt.

Manchmal sind wir wie die Weisen,
die nicht mehr die weit entfernten Sterne suchen,
sondern vor dem Nahegekommenen die Knie beugen.

Manchmal sind wir wie Maria und Josef
auf der Suche nach einer Bleibe – 
nach dem Bleibenden.

(Autor unbekannt)

Sich auf den Weg machen

ein Wort
ein Klang
ein Bild

eine Hoffnung
eine Sehnsucht
ein Ahnen

nicht mehr
zufrieden sein
mit dem was ist

mehr wollen
anders sein
getrieben werden

und aufbrechen
losgehen
den Träumen trauen

dem Stern in der Nacht
dem Wort im Schweigen
dem Kind in der Krippe

Andrea Schwarz

Weihnachten

Zwar ist das Jahr an Festen reich, 
Doch ist kein Fest dem Feste gleich, 
Worauf wir Kinder Jahr aus Jahr ein 
Stets harren in süßer Lust und Pein.

O schöne, herrliche Weihnachtszeit, 
Was bringst du Lust und Fröhlichkeit! 
Wenn der heilige Christ in jedem Haus 
Teilt seine lieben Gaben aus.

Und ist das Häuschen noch so klein, 
So kommt der heilige Christ hinein, 
Und Alle sind ihm lieb wie die Seinen, 
Die Armen und Reichen, die Großen und Kleinen.

Der heilige Christ an alle denkt, 
Ein Jedes wird von ihm beschenkt. 
Drum lasst uns freu’n und dankbar sein! 
Er denkt auch unser, mein und dein. 

August Heinrich Hoffmann von Fallersleben

Perspektivwechsel 

Advent heißt Warten
Nein, die Wahrheit ist
Dass der Advent nur laut und schrill ist
Ich glaube nicht
Dass ich in diesen Wochen zur Ruhe kommen kann
Dass ich den Weg nach innen finde
Dass ich mich ausrichten kann auf das, was kommt
Es ist doch so
Dass die Zeit rast
Ich weigere mich zu glauben
Dass etwas Größeres in meine Welt hineinscheint
Dass ich mit anderen Augen sehen kann
Es ist doch ganz klar
Dass Gott fehlt
Ich kann unmöglich glauben
Nichts wird sich verändern
Es wäre gelogen, würde ich sagen:
Gott kommt auf die Erde! 

Und nun lies den Text von unten nach oben! 

Iris Macke

Einsiedlers Heiliger Abend

Ich hab' in den Weihnachtstagen 
Ich weiß auch warum - 
Mir selbst einen Christbaum geschlagen, 
Der ist ganz verkrüppelt und krumm.

Ich bohrte ein Loch in die Diele 
Und steckte ihn da hinein 
Und stellte rings um ihn viele 
Flaschen Burgunderwein.

Und zierte, um Baumschmuck und Lichter 
Zu sparen, ihn abends noch spät 
Mit Löffeln, Gabeln und Trichter 
Und anderem blanken Gerät.

Ich kochte zur heiligen Stunde 
Mir Erbsensuppe mit Speck
Und gab meinem fröhlichen Hunde 
Gulasch und litt seinen Dreck.

Und sang aus burgundernder Kehle 
Das Pfannenflickerlied. 
Und pries mit bewundernder Seele 
Alles das, was ich mied.

Es glimmte petroleumbetrunken 
Später der Lampendocht. 
Ich saß in Gedanken versunken.
Da hat's an die Türe gepocht,

Und pochte wieder und wieder.
Es konnte das Christkind sein. 
Und klang's nicht wie Weihnachtslieder! 
Ich aber rief nicht: "Herein!"

Ich zog mich aus und ging leise 
Zu Bett, ohne Angst, ohne Spott, 
Und dankte auf krumme Weise 
Lallend dem lieben Gott.

Joachim Ringelnatz

Es treibt der Wind im Winterwalde...

Es treibt der Wind im Winterwalde
Die Flockenherde wie ein Hirt,
Und manche Tanne ahnt, wie balde
Sie fromm und lichterheilig wird.
Sie lauscht hinaus. Den weißen Wegen
Streckt sie die Zweige hin bereit
Und wehrt dem Wind und wächst entgegen
Der einen Nacht der Herrlichkeit.

Rainer Maria Rilke

Advent

nun komm mach schnell
die Tür mach weit
es wird schon hell
es wird bald Zeit

es geht der Wind

und wo wir sind
sind Türen
nun komm schon Kind
wir frieren

Heinrich Detering

Der Bratapfel

Kinder, kommt und ratet, 
Was im Ofen bratet! 
Hört, wie's knallt und zischt! 
Bald wird er aufgetischt, 
Der Zipfel, der Zapfel, 
Der Kipfel, der Kapfel, 
Der gelbrote Apfel.

Kinder, lauft schneller; 
Holt einen Teller, 
Holt eine Gabel! 
Sperrt auf den Schnabel 
Für den Zipfel, den Zapfel, 
Den Kipfel, den Kapfel, 
Den goldbraunen Apfel.

Sie pusten und prusten, 
Sie gucken und schlucken, 
Sie schnalzen und schmecken 
Sie lecken und schlecken 
Den Zipfel, den Zapfel, 
Den Kipfel, den Kapfel, 
Den knusprigen Apfel.

Fritz und Emily Koegel

Vier Kerzen im Advent

Vier Kerzen brannten am Adventskranz. Es war ganz still. So still, dass man hörte, wie die Kerzen zu reden begannen.

Die erste Kerze seufzte und sagte: 
"Ich heiße Frieden. Mein Licht leuchtet, aber die Menschen halten keinen Frieden, sie wollen mich nicht." 
Ihr Licht wurde immer kleiner und verlosch schließlich ganz.

Die zweite Kerze flackerte und sagte: 
"Ich heiße Glauben. Aber ich bin überflüssig. Die Menschen wollen von Gott nichts wissen. Es hat keinen Sinn mehr, dass ich brenne." 
Ein Luftzug wehte durch den Raum und die zweite Kerze war aus.

Leise und sehr traurig meldete sich nun die dritte Kerze zu Wort. 
"Ich heiße Liebe. Ich habe keine Kraft mehr zu brennen. Die Menschen stellen mich an die Seite. Sie sehen nur sich selbst und nicht die anderen, die sie liebhaben sollen."
Und mit einem letzten Aufflackern war auch dieses Licht ausgelöscht.

Da kam ein Kind in das Zimmer. Es schaute die Kerzen an und sagte:
"Aber, aber, ihr sollt doch brennen und nicht aus sein!"
Und es fing an zu weinen.

Doch da meldete sich auch die vierte Kerze zu Wort. Sie sagte: 
"Hab keine Angst, denn ich heiße Hoffnung. Solange ich brenne, können wir auch die anderen Kerzen wieder anzünden!"
Voller Freude nahm das Kind voller Freude Licht von dieser Kerze und zündete die anderen Kerzen wieder an.

Autor unbekannt

Das Wunderblümlein
(Altes Weihnachtslied ergänzt)

Uns ist ein' Ros' entsprungen
aus einer Wurzel zart;
wie uns die Alten sungen,
von Jesse kam die Art;
und hat ein Blümlein bracht
mitten im kalten Winter,
wohl zu der halben Nacht.

Das Blümlein war so reine
und duftete so süß;
mit seinem milden Scheine
verklärt's die Finsternis;
und leuchtet immerdar,
tröstet die Menschenkinder
holdselig, wunderbar.

Ein Stern mit hellem Scheine
hat es der Welt verkündt,
den Hirten und den Heiden,
wo man dies Blümlein findt.
Nun ist uns nicht mehr bang,
seit aus der dunklen Erde
solch köstlich Knösplein sprang.

Richard Dehmel

Weihnachten

Markt und Straßen stehn verlassen,
Still erleuchtet jedes Haus,
Sinnend geh´ ich durch die Gassen,
Alles sieht so festlich aus.

An den Fenstern haben Frauen
Buntes Spielzeug fromm geschmückt
Tausend Kindlein stehn und schaun,
Sind so wunderstill beglückt.

Und ich wandre aus den Mauern
Bis hinaus ins freie Feld,
Hehres Glänzen, heil´ges Schauern!
Wie so weit und still die Welt!

Sterne hoch die Kreise schlingen,
Aus des Schnees Einsamkeit
Steigt´s wie wunderbares Singen –
O du gnadenreiche Zeit!

Joseph von Eichendorff